Zukunftsquartier mit Bahnanschluss
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Erbe und Zukunft / Leitgedanken
Ein besonderes Stück Stadt benötigt außerordentliche Ideen. Standardisierte, herkömmliche Lösungen werden die Potenziale des acht Meter tiefen und 260 Meter langen Grundstücks nicht schöpfen. Für das Raiffeisenareal schlägt der Entwurf Zukunftsquartier mit Bahnanschlusseine eigene, besondere städtebauliche Typologie und Programmatik vor.Â
Raiffeisen gründete Ende des 19. Jahrhunderts eine Genossenschaft zur Unterstützung und Förderung der landwirtschaftlichen Produktion. Die inzwischen über einhundert Jahre alte Genossenschaft prägte mit ihren Lagerhäusern und Silotürmen die Stadtsilhouette vieler Kommunen. Die Bebauung des Raiffeisenareals in Bürstadt markiert mit dem Siloturm nicht nur den nördlichen Rand der Kernstadt, sondern bildet gleichzeitig den Übergang zum Wohngebiet nördlich der Industriestraße einerseits und zum Bürstädter Industriegebiet andererseits.
Wohnen, Arbeiten und Mobilität sind die wichtigsten Gestaltungsbereiche städtebaulicher Transformationen für eine nachhaltige Zukunft. Deren neues Zusammenspiel sollte im günstigsten Falle ähnlich lange wirken, wie die, inzwischen historische Nutzung der Lagerung und des Verladens landwirtschaftlicher Produkte.
Wohnen, Arbeiten und Mobilität sind auch die Grundlagen für ein zukunftsfähiges Quartier, das mit dem sanierten Kreuzungsbahnhof Bürstadt eine neue Adresse in der Region erhält. Der besondere Nutzungsmix leistet dabei einen nachhaltigen Beitrag zur Revitalisierung des Kernbereichs Bürstadts und erweitert nicht nur den Wohnungsmarkt, sondern auch das Angebot von Handel und Dienstleistung mit kleinen produktiven Einheiten oder Ateliers für Selbstständige und Kreative.Â
Stadtbild und Wahrnehmung  / Städtebau und Baustruktur
Der Entwurf reagiert sowohl auf die Linearität des Grundstücks, als auch auf den Bedarf Öffnungen nach Norden bzw. Süden zu schaffen. Damit werden einzelne Häuser ablesbar und klare Adressen geschaffen. Dennoch wird die Stadtmorphologie an dieser Stelle fortgeschrieben. Für alle Bahnreisenden ist das Zukunftsquartier der Stadteingang nach Bürstadt. Die Wahrnehmung der neuen Bebauung aus einer fahrenden S-Bahn heraus spielt dabei eine besondere Rolle.Â
Der 30 Meter hohe Siloturm wird als Landmarke und identitätsstiftendes Bürstädter Bauwerk erhalten und umgenutzt. Dieser Turm beherrscht das Areal und teilt es in einen westlichen und einen östlichen Bereich. Während der Turm wie selbstverständlich die Mitte besetzt, machen zwei neue höhere Gebäude jeweils Start- bzw. Endpunkt des Areals sichtbar. Das westliche Grundstück an der Mainstraße wird im Zuge der Neugestaltung mitentwickelt und der bestehende Blumenladen erhält ein neues Ladengeschäft.
Die Erdgeschosszone zur Industriestraße ist für das Zukunftsquartier von großer Bedeutung. Der Entwurf möchte genau diesen Bereich, der besonders Fußgängern und Fahrradfahrern vorbehalten sein soll, nicht weiter dem Autoverkehr opfern. Notwendige Stellplätze werden zentral in der Nähe des Bahnhofes zusammengefasst, um die Nutzungen in den Erd-geschossen zum öffentlichen Raum der Straße ausrichten und den Stadtraum beleben zu können.
Wohnen und Arbeiten / Nutzungen
Das Konzept und der Entwurf Zukunftsquartier mit Bahnanschluss schlagen vor, dass Bürstadt auch über Standorte neuer, kleinteiliger Produktion und Co-Working nachdenkt und ein entsprechendes flexibles Raumangebot (Experimentierräume) zur Verfügung stellt. Damit werden neue, zukünftige Angebote und Kombinationen von Wohnen und Arbeiten gefördert und die Vielfalt individueller Lebensentwürfe bereichert.
Die Wohnungsbauten sind in ihrem Wohnflächenangebot neuen Marktansprüchen angepasst, können aber auch zu größeren Einheiten wahlweise direkt oder über eine gemeinsame Terrasse zusammengefasst werden. So sind z.B. größere Wohngemeinschaften, Mehrgenerationenmodelle oder Wohnungen für Patchwork-Familien leicht zu realisieren. Darüber hinaus bietet der Entwurf eine temporär nutzbare Gästewohnung und einen Raum für Familienfeste allen Bewohnern an.
Mit dem Um- und Anbau des Siloturms entstehen nicht nur Wohnungen mit einem speziellen Raumerlebnis, sondern im Erdgeschoss und im Top des Turms können gastronomische und/oder Event-Angebote für Bürstadt besondere Akzente setzen.
Alternativ zu besonderen Wohnungen sind hier auch repräsentative Büroflächen vorstellbar.
Um das Silo in einer neuen Art und Weise auch von innen zu erfahren sieht der Entwurf die „Individualisierung“ der einzelnen Silos vor. In diesem Sinne wird jedes Silo einer Nutzungseinheit als Raumerlebnis zugeschlagen. Vorstellbar ist nicht nur die besondere Wahrnehmung der Vierkant-Röhre, sondern die Möglichkeit eines Licht-Kaleidoskops über gezielt gesetzte Öffnungspunkte in der Südfassade des Turms.
Mobilität und Freiraum / Erschließung und ruhender Verkehr
Das Zukunftsquartier profitiert von der unmittelbaren Nähe zum Kreuzbahnhof Bürstadt und dem Mobilitätsangebot der Bahn nach Norden, Süden, Westen und Osten. Nicht nur aus diesem Grund liegt dem städtebaulichen Konzept ein nachhaltiges Mobiltätskonzept zu Grunde. Ebenerdige, abschließbare Fahrradstellplätze, die unmittelbar den Hauseingängen gegenüber angeordnet sind, erleichtern den Um- und Einstieg auf die Fahrradmobilität.Â
Zu Gunsten eines vielfältigen Erdgeschossangebotes entsteht mit dem östlichen Auftaktgebäude eine Multiparking-Anlage, die den Bewohnern und Beschäftigten 40 Autostellplätze bietet. Car-Sharing-Plätze geben auch Nicht-Autobesitzern die Möglichkeit individuell und motorisiert mobil zu sein.
Angefangen bei den stellplatz-freien, trapezförmigen Eingangsbereichen an der Straße, über das Treppenhaus, den nachbarschaftlichen Terrassen im Obergeschoss und den privaten Loggien in den Wohnungen entsteht eine klar definierte Abstufung von öffentlichen, halböffentlichen und privaten Freibereichen.
Der Sonderbaustein des Siloturmes erhält mit der so genannten “Spielbühne“ einen eigenen Außenbereich, der einerseits von der Gastronomie erschlossen und genutzt werden kann, aber auch als öffentlicher Aufenthalts- und Spielraum der Bevölkerung zur Verfügung steht.
Architektur und MaterialÂ
Zwei Materialien sollen das Zukunftsquartier charakterisieren. Dabei steht auch hier die Nachhaltigkeit der verwendeten Baustoffe im Vordergrund. Während die Sockelgebäude eine robuste Stein- oder Betonfassade erhalten sollen, sind die eigentlichen Wohngebäude mit ihrer Modulbauweise dem nachwachsenden Baustoff Holz verpflichtet. Leichte Differenzierungen in der Strukturierung der Fassade oder der Wahl des Holzes unterstreichen die Eigenständigkeit der einzelnen Häuser und die Lebendigkeit und Vielfalt des Naturbaustoffes.