TRANSFORMATION DER WISSENSCHAFTSSTADTÂ UND -REGION
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Das Projekt Raumstrategien der Wissenschaften, das im Rahmen des LABORS WISSEN UND STADT bearbeitet wurde, beruht auf dem Auftrag der IBA, Heidelberg als Wissensraum ganzheitlich wahrzunehmen, auszubauen und erlebbar zu machen. Der Prozess, den die Internationale Bauausstellung vor bald zehn Jahren aufgleiste, muss in einen kontinuierlichen, strategisch orientierten Stadtumbau überführt werden. Dabei ist es unerlässlich, dass räumliche Entwicklungsstrategien aufeinander abgestimmt werden.Â
Um dem ganzheitlichen Anspruch gerecht zu werden, werden drei differenzierte Maßstabs- beziehungsweise Bearbeitungsebenen betrachtet: erstens Stadt und Region, zweitens Quartier und Stadt und drittens Haus und Quartier. Die Arbeitsebenen sind durch wechselseitige Wirkung gekennzeichnet und sind für die ganzheitliche Gestaltung und Erlebbarkeit der Wissenschaftsstadt Heidelberg von besonderer Bedeutung.
Region und StadtÂ
Die Ebene Region und Stadt zielt vor allem auf Mobilitätsverbesserungen, d.h. eine stärkere multimodale Vernetzung sowie auf die Gestaltung des Landschaftsraums ab. Konkret: Der Heidelberger Hauptbahnhof mit seinem direkten Umfeld muss als entscheidender Dreh- und Angelpunkt in der Stadt und in der Region betrachtet werden. Für den Start- beziehungsweise Endpunkt bedeutender programmatischer Raumkorridore (Traditionsraum-Transformationsraum-Visionsraum) bedarf es einer besonders sensiblen, offenen und Orientierung gebenden Gestaltung.Â
Die Synergien zwischen den wissenschaftlichen Standorten und der Ausbau der Forschungskooperationen in der Region wirken unmittelbar auf Entwicklungsszenarien und Nutzungskonzepte für neue Areale, wie dem Patrick Henry Village.Â
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Stadt und QuartierÂ
Hier kommt dem öffentlichen Raum besondere Bedeutung zu. Die Wege zwischen den „Wissensquartieren“, zwischen einzelnen wissenschaftlichen Einrichtungen, aber auch zu anderen universitären und kulturellen Angeboten erfahren eine neue Aufmerksamkeit. Klare Orientierung sowie gut und differenziert gestaltete Erschließungssituationen unterstützen die Sichtbarkeit und Präsenz der Wissenschaft in der Stadt. Die Eigenarten der Nachbarschaften in den jeweiligen Stadtteilen erfordern eigenständige Programme und Konzepte.Â
Diese zentrale, mittlere Betrachtungsebene wirkt in die beiden anderen Ebenen hinein. Gerade der Landschafts- und Freiraum als spezifischer Teil des öffentlichen Raums birgt Chancen: Ein, zugegebenermaßen etwas schlicht gedachter Biergarten am Neckar kann zu einem perfekten Begegnungsort werden, wo wissenschaftliche Kontroversen in der Konferenzpause auf Alltagsgespräche treffen. Die Einbettung des Heidelberger Wissenschaftsbetriebs in den regionalen Kulturraum trifft international auf viel Sympathie. Aber auch als Schnittstelle zu den Gebäuden der Wissenschaften ist der öffentliche Raum von außerordentlicher Wichtigkeit. Je nach Gestaltung der Vorbereiche und Eingangszonen der Gebäude werden Einladungen oder Abgrenzungen „ausgesprochen“. Bestehende Schwellenwirkungen können dort, wo sie nicht notwendig bzw. kontraproduktiv sind, abgebaut werden.Â
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Quartier und HausÂ
Hier wird es konkret: Beim Bau und Umbau von wissenschaftlichen Einrichtungen kommt Eigentümer*innen und Nutzer*innen die Aufgabe zu, besondere Nutzungsprogramme für die Erdgeschosse zu etablieren. In Veranstaltungs-, Konferenz-, oder Workshopräumen, die auch von Dritten genutzt werden können, in wissenschaftlichen Sammlungen und Ausstellungen, aber auch Bibliotheken und Cafeterias begegnet man sich an der Schnittstelle zum öffentlichen Raum, auf Plätzen und in Vorbereichen kehrt Leben ein. Darüber hinaus erweitern diese hybrid genutzten Räume das Angebot kultureller und wissenschaftlicher Veranstaltungsorte der Stadt. Die architektonische Öffnung und Transparenz der Erdgeschosszonen zum öffentlichen Raum trägt zur Sichtbarkeit des Wissenschaftsbetriebs bei.Â
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Ziele
Der Ausbau der Heidelberger „Wissenschaftslandschaft“ bedarf einer intensiven integrierten Herangehensweise. Dabei steht die Wahrnehmung und Einbindung aller wissenschaftlichen Einrichtungen, ihre Vernetzung und Erlebbarkeit im städtischen Raum an oberster Stelle.Â
Der öffentliche Raum, in dem sich Stadtgesellschaft und Wissenschaftscommunity zufällig begegnen, wird zu einem wichtigen „Austragungsort“ gesellschaftlicher Aushandlung. Nicht der Aufbau und die ästhetische Inszenierung von Grenzen zwischen Wissenschaft und Stadt, sondern die Perforation oder vollständige Auflösung der bestehenden Grenzen muss das Ziel räumlicher Weiterentwicklung sein. Die diskursiven Wissenschaftseinrichtungen der Zukunft benötigen Freiräume in Form von informellen Lernräumen und unmittelbaren Begegnungsorten.Â
Der zentrale Freiraum, der unterschiedlichste Forschungs- und Lehreinrichtungen miteinander und mit dem städtischen Kontext vernetzt, schafft nicht nur neue attraktive Räume für den transdisziplinären Austausch, sondern ergänzt die strapazierten Innenstadtbereichen durch neue urbane Freiraumqualitäten.Â
Nicht zuletzt muss die Wertigkeit und Schönheit der Architektur als Garant für nachhaltiges Bauen betont werden. Heidelberg zeigt, dass viele historische, denkmalgeschützte Gebäude, aber auch hervorragende Architekturen aus den 1960er- und 70er-Jahren immer noch lebendige Teile des Wissenschaftsbetriebs sind. Gerade baukulturell wertvolle und markante Häuser sind wichtig für das Stadtbild und den öffentlichen Raum.Â